DIE UNTERNEHMER-FAMILIE ALS IDENTITÄTS-LIEFERANT – Kultur erleben und Sozialisation gestalten

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Wechselbeziehungen innerhalb einer Unternehmerfamilie (Caspary & Kleve, 2023)

Unternehmerfamilien unterscheiden sich wesentlich von anderen familiären Formen, die in unserer heutigen Gesellschaft anzutreffen sind. Dies ergibt sich durch die Verschränkung einer Familie an dem Eigentum eines Unternehmens. Dadurch entsteht unweigerlich eine wechselseitige Symbiose zwischen Familie und Unternehmen.

Beide Lebensbereiche beeinflussen sich gegenseitig; es formt sich eine spezifische kulturelle Prägung heraus, die die Mitglieder wesentlich in ihren Denk- und Handlungsweisen beeinflusst, die aber auch zum transgenerationalen Erfolg beiträgt.

Bei Unternehmerfamilien, die bereits über mehrere Generationen bestehen, entstehen drei relevante Lebenswelten (Systeme):

  1. Familie,
  2. Unternehmen und
  3. Eigentümerkreis.

Den Rahmen bildet die Unternehmerfamilie (siehe Abbildung Cover). Die Mitglieder der Unternehmerfamilie

  1. bewegen sich in ihren jeweiligen Kernfamilien,
  2. haben aber auch Anteile am Unternehmen und
  3. können operativ im Unternehmen arbeiten.

Aufgrund der unterschiedlichen Logiken und nicht vorhandenen Trennung der drei Bereiche muss die Unternehmerfamilie eine Art Koordinationsfunktion für die drei Subkulturen ausführen, damit deren Eigendynamiken keine destruktiven Kräfte erzeugen. Gleichzeitig muss die Unternehmerfamilie als Identitätslieferant sicherstellen, dass die Bindung der einzelnen Mitglieder zur Unternehmerfamilie nicht verloren geht. Dies vollzieht sie mittels Strategien und daraus abgeleiteten Strukturen.

Um allerdings die langfristige Existenz zu sichern, muss diese für die Nachkommen ein Umfeld bereitstellen, in denen die Nachkommen an die unternehmerischen Anforderungen herangeführt werden und auch den Willen entwickeln, als neue Nachfolgergeneration die unternehmerische Verantwortung weiterzutragen.

Die Nachkommen nehmen daher eine entscheidende Rolle im Hinblick auf den Erhalt der Unternehmerfamilie ein. Diese sind nicht nur Kinder, sondern immer auch potenzielle Nachfolgerinnen oder Nachfolger. An diese sind somit bereits in jungen Jahren bzw. ab ihrer Geburt (un-)bewusste Erwartungen geknüpft, die deren Lebenswirklichkeit und Identität entscheidend prägen.

Aufgrund der unterschiedlichen Logiken der drei Systeme erleben sich die Nachkommen aber oftmals in einer ambivalenten Lebenswelt, die diese ab ihrer Geburt für sich verarbeiten müssen, was die Nachkommen unter Druck und psychischer Belastung setzen kann.

Der Einfluss der Unternehmerfamilie auf die Sozialisation und auf die Identitätsbildung der Nachkommen vollzieht sich dabei durch die Verhaltensweisen und Erwartungen der Mitglieder. Diese werden wiederum durch die Kultur der Unternehmerfamilie geprägt, die sich aus den Traditionen, Werten, Normen, Geschichten, Ritualen zusammensetzt. Daneben prägt auch das Unternehmen wesentlich die Kultur und somit die Erwartungen der Unternehmerfamilie.

Im Hinblick auf die Sicherung des transgenerationalen Fortbestandes müssen daher zwei Ebenen betrachtet werden.

  1. Einerseits die Kultur der Unternehmerfamilie und
  2. andererseits die Sozialisation der Nachkommen.

Beide Aspekte entfalten ihre Wirkung auf die Nachkommen bzw. zukünftigen Nachfolgerinnen oder Nachfolger; haben aber auch unweigerlich einen Einfluss auf die Mitglieder der Unternehmerfamilie. Trotz der Relevanz sind diese beiden Themenbereiche noch wenig in der Literatur zu Unternehmerfamilien, aber auch in der Praxis vertreten.

Es ist daher wichtig, als Unternehmerfamilie

  1. einerseits ein Verständnis bezüglich der eigenen Kultur zu erlangen und
  2. andererseits die Mechanismen, denen die Nachkommen in diesem speziellen Kontext ausgesetzt sind, in das eigene Bewusstsein zu rücken.

Durch die Verklammerung zwischen Familie und Unternehmen entsteht für die Nachkommen ein kulturelles Milieu, welches deren Lebensgestaltung sowie Identität maßgeblich prägen kann und diese vor spezifische Herausforderungen stellt, die sich u.a. während der Nachfolge entladen können.

Denn während der Nachfolge können Konflikte auftreten, die ihren Ursprung in den strukturellen / kulturellen Besonderheiten der Unternehmerfamilie haben oder bereits in der Kindheit der Nachkommen zu finden sind.

So stellt die Kultur einer Unternehmerfamilie ein Milieu bereit, indem sich die Nachkommen entwickeln und die wesentlich die Sozialisation der Nachkommen prägt.

Wichtig ist: Kultur ist nichts Statisches. Diese wird sich unweigerlich an ihre Umwelt, als auch im Innenbereich an das Werteverständnis der Mitglieder anpassen (müssen).

So liefert auch jede neue Generation ein Erneuerungsangebot, welches in die bestehende Kultur integriert werden sollte, um das Zusammenspiel zwischen Tradition und Moderne erfolgreich zu gestalten.

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Bildquelle: Caspary, S. & Kleve, H. (2023): Kulturentwicklung in Unternehmerfamilien. Sicherung von Identität und Transgenerationalität. WIFU-Praxisleitfaden. Witten: WIFU, S. 10.
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