#06: Unsichtbare Rollen

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„Die unsichtbaren Rollen, die du spielst, bestimmen dein Leben stärker, als dir bewusst ist.“

Manchmal spielen wir Rollen, ohne es zu merken. Nicht die offensichtlichen, wie Geschäftsführer:in oder Mutter. Sondern die leisen, unausgesprochenen, die uns von klein auf begleiten. Der Stille, der Vermittler, die Verlässliche, die Starke. Rollen, die nicht gewählt, sondern übernommen wurden – aus Liebe, aus Anpassung oder aus der Sehnsucht, dazuzugehören.

Gerade in Unternehmerfamilien, wo mehrere Generationen und Lebenswelten ineinandergreifen, entstehen solche Rollen fast automatisch.

  • Wer vermittelt, wenn Konflikte aufbrechen?
  • Wer trägt die Verantwortung, wenn andere schweigen?
  • Wer bleibt stark, wenn es schwer wird?
  • Und wer verzichtet auf eigene Wünsche, damit das Ganze funktioniert?

Das Problem ist nicht, dass es Rollen gibt. Das Problem ist, wenn wir sie so sehr verinnerlichen, dass wir sie mit unserer Identität verwechseln. Dann spüren wir irgendwann: Ich funktioniere – aber lebe ich auch?

„Rollen sind hilfreich, solange sie dich nicht davon abhalten, du selbst zu sein.“

Es sind oft die unausgesprochenen Erwartungen, die uns in diese Rollen drängen. Eltern, die unbewusst eine Lücke schließen wollen. Geschwister, die in uns den Verantwortlichen sehen. Mitarbeiter:innen, die auf Verlässlichkeit bauen. Erwartungen wirken still, aber machtvoll. Sie schreiben Drehbücher, die niemand formuliert – und die doch das Handeln ganzer Familien und Unternehmen prägen.

Doch so wertvoll diese Rollen für das System sein können: Für den Einzelnen bedeuten sie oft Enge. Denn wenn die Rolle wichtiger wird als die Person, verlieren wir die Freiheit, uns zu entwickeln.
Die Einladung lautet daher: Erkenne deine Rolle – und frage dich, ob sie dir noch entspricht.

  • Wo tue ich etwas, weil es wirklich meins ist – und wo nur, weil es von mir erwartet wird?
  • Welche Verantwortung ist wirklich meine – und welche habe ich übernommen, um niemanden zu enttäuschen?
  • Welche Stimme in mir kommt zu kurz, weil meine Rolle keinen Raum dafür lässt?

„Freiheit beginnt dort, wo du erkennst: Ich bin mehr als die Rolle, die ich spiele.“

Das bedeutet nicht, jede Rolle abzulegen. Es bedeutet, sie bewusst zu wählen – anstatt unbewusst in ihr gefangen zu bleiben. Vielleicht entscheidest du dich, weiterhin der Vermittler oder die Starke zu sein. Aber dann aus Freiheit, nicht aus Zwang. Aus Liebe, nicht aus Angst.

Wenn Unternehmerfamilien beginnen, über diese unsichtbaren Rollen zu sprechen, passiert etwas Besonderes: Muster werden sichtbar, Belastungen geteilt, neue Möglichkeiten entstehen. Dann sind Rollen nicht mehr Schablonen, sondern bewusst gestaltete Beiträge. Und genau darin liegt ein Schlüssel für gesunde Entwicklung – für dich und für das ganze System.